, Silas Gusset

Handwerkskunst im 21. Jahrhundert

Viele Wirtschaftszweige sind heute automatisiert und hochtechnisiert, von der Medizintechnik über die Gebäudeautomation bis zum Maschinenbau. Ohne digitale Infrastruktur wäre ein geregelter Arbeitsalltag in diesen Branchen undenkbar. Es gibt aber nach wie vor auch die traditionellen Handwerksberufe, die den technischen Fortschritt mit handwerklichem Geschick verbinden. Der Beruf der Schreiner:innen ist ein Paradebeispiel dafür. An der Industrienacht kannst du einen Blick hinter die Kulissen mehrerer Schreinereien werfen.

Bei Tschudin erlebst du den vielseitigen Beruf der Schreiner:innen mit allen Sinnen: Höre, sehe, rieche, schmecke und taste Holz. In ihrer Werkstatt kannst du dein eigenes geschmackvolles Einzelstück aus Holz anfertigen, dich mit Lernenden austauschen und die einzigartigen Produkte von Tschudin bestaunen. Wer an eine Schreinerei denkt, hat primär klassische Möbel und Tische vor Augen. Tschudin ist ein gutes Beispiel dafür, dass Schreinereien auch ganz grosse Projekte realisieren – wie zum Beispiel das Innenleben des neuen Hauptsitzes von Selmoni, einer weiteren teilnehmenden Firma. Tschudin designte, baute und montierte die runde Empfangstheke aus Eiche, die Holzverkleidungen in der Kantine und spezialangefertigte Garderoben auf allen Geschossen.

Bei der Schreinerei Voellmy können wir derweil einen Indoor-Waldparcours absolvieren, eines der grossen Highlights der letzten Industrienacht – wer ihn damals verpasst hat, erhält nun eine zweite Chance. Auf dem Parcours erfährst, wie das Holz vom Wald in die Schreinerei gelangt und dort mit viel Geschick, Sorgfalt und einem Auge für Ästhetik verarbeitet wird.

Selmoni Hauptsitz
Das Ergebnis lokaler Zusammenarbeit: die runde Empfangstheke im neuen Hauptsitz von Selmoni, entworfen und gebaut von der Schreinerei Tschudin, Foto: © Dirk Wetzel

Durch seine ökologischen Vorteile erlebt der Holzbau derzeit eine bemerkenswerte Renaissance. Als Baumaterial gehört es zu den ältesten der Menschheitsgeschichte, erst im Zuge der Industrialisierung und der Massenproduktion von Stahl, Metall, Beton und Kunststoff verlor Holz zumindest für den Gebäudebau an Bedeutung. Aus dem Alltag verschwand der Rohstoff allerdings nie, vor allem in der Messestadt Basel. Die internationale Fachmesse für Holzbearbeitung «Holz» ist eine der ältesten Fachmessen der Schweiz. Seit 1957 zieht sie alle drei Jahre Tausende Schreiner:innen, Zimmerleute und Fachleute aus Holzhandel und -industrie nach Basel. In der Zwischenzeit ist die Messe stark gewachsen, von anfänglich knapp 100 auf über 350 Aussteller. Die Nachfrage nach gutem Handwerk bleibt hoch.

Weitere Handwerksbetriebe und auch andere Kleinere und Mittlere Unternehmen, kurz KMU, kannst du an der Industrienacht in Reinach auf dem Besucherparkplatz von Endress+Hauser erkunden. Dort gibt der Verein KMU Reinach seinen Mitgliedern anlässlich des Jubiläums «850 Joor Rynach» eine Bühne. Elf Unternehmen präsentieren im Zeltdorf ihre Produkte und Dienstleistungen, unter anderem eine Konditorei, eine Metzgerei, ein Fensterbau-, ein Sanitär- und ein Malergeschäft. An den Ständen kannst du dich niederschwellig mit Fachleuten unterhalten, ihre Dienstleistungen kennenlernen und auch selbst etwas herstellen. Viele Handwerksbetriebe sind bei ihrer Arbeit auf die Werkzeuge, Maschinen und Schutzkleider von Götschi angewiesen. An der Industrienacht kannst du in ihr Sortiment im Gewerbepark auf dem Dreispitz eintauchen.

Voellmy
Voellmy an der Industrienacht Regio Basel 2022, Foto: © Flavia Schaub

Das Druckunternehmen Birkhäuser+GBC in Reinach hat seine Wurzeln ebenfalls im traditionellen Handwerk. Gegründet wurde es 1879 von Emil Birkhäuser, einem jungen, talentierten Schriftsetzer aus Deutschland. Sein Unternehmen verantwortete den Druck verschiedener Zeitungen in der Schweiz, unter anderem des «Basler Vorwärts», einer sozialistischen Zeitung, damals noch ein Parteiblatt der Sozialdemokratischen Partei, später der kommunistischen Partei der Arbeit. Birkhäuser prägte auf mehreren Ebenen die Druckereibranche. 1887 führte er als erster Arbeitgeber in dieser Branche den bezahlten Urlaub ein, zwei Jahre später brachte er mit der «Prakt. Anleitung für Setzer und Drucker» ein Referenzwerk für den Drucker:innenberuf auf den Markt. Die einst kleine Druckerei entwickelte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer grossen, facettenreichen Komplettanbieterin diverser gedruckter und digitaler Medienwelten. An der Industrienacht erfährst du auf einem einmaligen Rundgang, wie Printprodukte entstehen und welche Rolle dabei digitale Prozesse spielen.

Birkhäuser
Birkhäuser an der Industrienacht Regio Basel 2022, Foto: © Samuel Bramley